Eintrag-Details: Von wegen Wandern...
Philipp am 17.12.07 | 14:15:31 GMT+1 That's life, I guess, Neulich...
Von wegen Wandern...

Vor einer Woche war ich in Wales wandern. So war jedenfalls der Plan. Aus Wandern wurde allerdings nichts, das Wetter hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es wurde richtiges Bergsteigen.

Als ich mich auf das Wochenende vorbereitet habe war ich schon fast etwas enttäuscht. Alle haben von einer alpinen Wanderung gesprochen. Der Gipfel des Snowdon liegt aber gerade mal auf 1085 m. Damit gehört der Snowdon immerhin zu den höchsten drei Bergen in Großbritannien, neben Ben Nevis mit 1344m in Schottland und dem Scaffel Pike mit 978 m in Nordengland.

Wir sind Freitag am frühen Nachmittag aufgebrochen und haben knapp sieben Stunden gebraucht, bis wir im Youthhostel angekommen waren. Wir sind dann noch auf ein Feierabendbier in einen Pub gegangen und haben dort einen Blick auf die Wettervorhersage werfen können: Schnee, Eis, Hagel, Minustemperaturen, Wind mit bis zu 100 Km/h. "Naja, wird schon, wir sind ja gut ausgerüstet" dachten wir uns und sind in die Betten gekrabbelt. Am nächsten Morgen sollte es mit Sonnenaufgang losgehen. Dick eingepack mit allerhand warmen und wasserfesten Klamotten sind wir aufgebrochen. Wir mussten noch ein paar Minuten bis zum Fuß des Berges fahren. Da wir eine so große Gruppe waren, hat sich jeder einen "Buddy" gesucht, mit dem man zusammen gewandert ist, damit keiner verloren geht.

Wir sind im strömenden Regen knapp unterhalb der Schneefallgrenze gestartet. Das machte mir allerdings nicht viel aus: Wasserfeste Hose über der Wanderhose, Gore-Tex Wanderschuhe die immer zuverlässig waren und meine North Face Jacke und ein molliger Fleece sollten mich trocken und warm halten. Mein Proviant war in mehrere Müllsäcke eingewickelt im Rucksack, da ich für diesen keine Schutzhülle hatte. Es konnte nix schief gehen.

Dann war da noch der Wind... Regen an sich machte mir nix, aber nach wenigen Höhenmetern wurde aus eiskaltem Regen überwiegend kaltes Eis mit ein wenig Regen dazwischen. Vom Wind gepeitscht taten einzelne Böen sehr weh im Gesicht. Angenehm war das nicht und ich wünschte mir meine Skimaske.

Da half nur eins: Rücken zum Wind oder die Hände vors Gesicht

Da half nur eins: Rücken zum Wind oder die Hände vors Gesicht

Mittlerweile waren meine Lederhandschuhe auch durchgewichen und tropfnass. Noch blieben meine Händer allerdings trotzdem warm. Der Regen wurde immer mehr zu Schnee und blieb zunehmend liegen. Wir stapften durch Schneematsch immer höher und damit immer weiter in festeren Schnee.

Unsere Fußspuren im Schneematsch

Unsere Fußspuren im Schneematsch

Wirklich viel konnte man allerdings auch nicht sehen, da wir zum einen immer auf den Boden gesehen haben, um sichere Schritte zu machen. Zum anderen hat der Wind jedes hochsehen sofort bestraft. Außderdem konnte man ohnehin nicht viel sehen.


Blick nach unten Schritt für Schritt weiter

Nach einer Weile kehrten die ersten vier um. Ihre Klamotten waren durchgewichen und ihnen war kalt. Der Anstrengung waren sie auch nicht so ganz gewachsen. Während sich fitte Leute aus der Gruppe bereit erklärten den Trupp zurück zu begleiten wurde mir kalt. Ohne Bewegung im Wind war es einfach zu kalt. Der Wind kühlt einen sehr schnell aus. Vor allem meine Hände wurden eiskalt und blau.

Einstieg in den Berg

Einstieg in den Berg

Kurz danach ging es dann wirklich bergauf. Bis hierhin war es eher eine normale Wanderung unter fiesen Wetterbedingungen. Aus einem breiten Weg wurde ein schaler Pfad im Berg. Immer wieder rutschten Leute mit den Füßen weg, weil sie offensichtlich nicht genug Erfahrung mit festem Tritt im Berg hatten. Wir kamen auch nur noch deutlich langamer voran.

Immer mehr Gruppenteilnehmern wurde kalt, weil ihr Material den Bedingungen nicht gewachsen war. Sogar meine Wanderschuhe gaben allmählich nach. Mein linker Fuß wurde zunhemend naß. Einigen war so kalt, dass sie nur noch langsam und bibbern voran kamen. Zudem hatten wir bisher auch noch keine Pause gemacht oder machen können, da jeder Halt sofortiges Auskühlen zur Folge hatte. Wir hatten zwei große Notfall-Zelte dabei, die wind- und wasserdicht sind. Darunter haben wir uns zusammengequetscht und warmen Tee getrunken und den Energiehaushalt wieder aufgefüllt. Manchen war so kalt, dass wir Ihnen die nassen Klamotten ausgezogen haben duns sie in diese silber-goldenen "Decken" aus den Erste Hilfe Packs gehüllt haben um sie wieder aufzuwärmen.

Emergency Shelter

Kurze Pause in Extrembedingungen

Einigen war auch mit dieser Maßnahme nicht mehr wirklich zu helfen und die nächsten 10 kehrten um. Vor dem Rest der Gruppe lag nun der anstrengendste Teil des Aufstiegs. Man musste sich zunhemend am Gestein festhalten, um nicht auszurutschen. Links von uns ging es ziemlich steil bergab. Ich bin mir nicht sicher, ob ein Sturz wirklich tödlich wäre, aber ich war nicht scharf darauf es auszuprobieren. Blöderweise waren meine Hände so blau gefroren, dass ich sie kaum noch bewegen konnte. So viel zum Thema festhalten. Ich habe mir die Hände dann ebenfalls in eine Lebensrettedecke einwickeln lassen, um sie wieder aufzutauen.


Sicherungsleinen gegen Panik
An einer Stelle hat uns eine Böe so krätig erwischt, dass wir uns richtig gut an den Fels klammern mussten. Viele gingen instinktiv in die Knie oder zogen die Anderen mit auf den Boden, um dem Wind nicht so große Angriffsfläche zu bieten. Das fanden einige nicht ganz so spaßig und bekamen Panik. Wir hatten es aber fast bis zum Bergkamm geschafft, wo sich mehrere Wege trafen und durch einen großen Obelisk gekennzeichnet waren. Allerdings waren wir hier oben dem Wind dann vollends ausgeliefert.

Ein Mädel wollte partu nicht mehr weiter gehen, da sie ernsthaft Angst hatte, sie würde weg geweht werden. Ich habe sie dann angeseilt und and jemand anderen geknotet. Das war zwar eigentlich nicht nötig, hat ihr aber ein Gefühl von Sicherheit gegeben.

Währenddessen zogen andere Menschen an uns vorbei, ausgerüstet mit Eisäxten und richtig dicken Winterextremjacken und mit Skibrillen. Teilweise sogar mit zusätzlichen Steigeisen an den Füßen. Auch wenn genügend von uns vermutlich fit genug waren den Gipfel zu erreichen, so hatten wir auch Einige unter uns, die wir da nicht guten Geissens mit hin nehmen konnten. Wir entschlossen uns dann auf der anderen Seite des Bergkamms wieder abzusteigen, da diese Route deutlich schneller gehen sollte und zudem nach einer Weile in ein Tal führte, von dem wir uns erhofften, dass es etwas windgeschützt wäre.

Zusammen mit meinem Buddy habe ich eine Gruppe von zehn Leuten hinabgeführt, während der Rest der Gruppe noch einmal unter dem Schutzzelt zusammenkrabbelte, um ein Mädel aufzuwärmen, die völlig durchgefroren war. Der Abstieg war dann auch nochmal spannend, da einer in unserer Gruppe einen üblen Krampf hatte und nicht mehr so richtig voran kam. Zudem hatten wir noch das Mädel an der Leine dabei, die immer noch panik schob und am liebsten die Bergrettung gerufen hätte.

Kurz nachdem wir dann die Schneefallgrenze erreicht hatten ging es auch wieder schnell voran und uns wurde allen wieder mollig warm. Sogar der Regen war willkommen, denn auch der fühlte sich warm an.

Zum Gipfel haben wir es somit leider nicht geschafft, aber insegesamt war es eine super Herausforderung. Wirklich gefährlich war es aus meiner Sicht zu keiner Zeit. Problematisch waren eher die schlechte Ausrüstung Einiger gepaart mit mangelnder Erfahrung. Somit musste ich neulich gut lachen, als ich die JAck Wolfskin Werbung sah, die mit dem Slogan wirbt "Du musst nicht viel mitnehmen, nur das Richtige". Da ist viel dran. Ich werde mir für den nächsten Trip im Januar wasserfeste Handschuhe zulegen.

Den Gipfel des Snowdon werde ich im nächsten Sommer nochmal in Angriff nehmen. Dann will ich mit meinem Mitbewohner Chris die
Three Peaks Challenge absolvieren. Dabei müssen die drei höchsten Gipfel Großbritanniens (Ben Nevis, Scaffel Pike und Snowdon) innerhalb von 24 Stunden erklommen werden, inklusive Fahrtzeit.

PS: Nicole, eine Kamera habe ich zum Glück nicht auftreiben können. Die Fotos stammen von Anderen. Insgesamt hat diese Tour zwei Kameras dahingerafft.


Kommentare:

Kommentar von: Basti [Besucher]
Klingt heldenhaft, Phil! ;-) Und das korrekte Adjektiv wäre durchgeweicht! Oder partizipisch: durchweicht (von durchweichen) - wenn ich jetzt nicht irre. ;-)
Permalink 17.12.07 @ 22:00
Kommentar von: Nicole [Besucher] · http://www.padertrio.de/nic
Hey Phil, unter ein wenig wandern in Wales hatte ich mir was anderes vorgestellt. Das war ja echt ne krasse Tour, hatte auch nicht daran gedacht dass ihr oberhalb der Schneefallgrenze wart. Ein bißchen verrückt seid Ihr schon ;)

War mit Sicherheit ne extreme Erfahrung, ich als Frostbeule wäre wahrscheinlich mit der ersten Gruppe umgekehrt. Aber wenn keine Minusgrade herrschen könnte mich so eine Tour durchaus reizen.

Dann sei echt froh, dass Du keine Cam dabeihattest. Die Bilder die die anderen gemacht haben geben schon einen guten Einblick.
Permalink 18.12.07 @ 00:45
Kommentar von: Jan [Besucher]
Krasse Aktion. War sicher nicht langweilig. Ich würde aber wie Basti auch sagen, das Wort "durchgewichen" gab es vor diesem Blog-Eintrag noch nicht. Musst es mal bei Google eingeben, dann erscheint dein Eintrag an erster Stelle ;-)
Permalink 18.12.07 @ 12:43

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Philipp