Wie Einige bereits wissen, bin ich seit einiger Zeit in der Heimat. Heute morgen habe ich ein sozio-kulturelles Selbstexperiment gemacht. Ich bin in eine gesellschaftliche Minderheit infilitriert - Frühschwimmer.

Um 0620 Uhr ging der Wecker und nach einer Tasse Tee sowie einer Portion Müsli war ich bereit für diese ganz neue Erfahrung. Meine Mutter hatte mich überredet mit ihr zum Schwimmen zu gehen. Aber nicht irgendwann, sondern um sieben Uhr morgens. Meine erste Entdeckung des Tages war: "Huch, es ist ja schon hell um halb sieben". Meine Zweite war: "es ist arschkalt!". Als ich im Sattel saß, machte ich die erste ernüchternde Erfahrung des Tages: Meine Mutter verstand offensichtlich auch die kurze Fahrt zum Schwimmbad als Frühsport und trat entsprechend in die Pedalen. Da wurde ich direkt erstmal abgehängt. Keine besonders guten Vorzeichen, vor allem im Hinblick auf mein Sommerprojekt (dazu demnächst mehr).

23 Grad Wassertemperatur frohlockte das Thermometer im Eingangsbereich. Ich weiß nicht, ob das positiv gesehen wird, mich schreckt sowas eher ab. In der Dusche zuhause steht schließlich immer etwas von 40° auf dem Hahn.
Das Schwimmbecken war ziemlich voll. Überall dümpelten hässliche Badekappen im viel zu kalten Wasser. Allerdings hatten die Damen und Herren etwas grünlich falsch verstanden: Die Bezeichnung hieß immerhin "Sportbecken". Ganz so sportlich waren die aber nicht. Nachdem ich die Brille abgelegt hatte war das ohnehin egal, da war ich froh, wenn ich einen dieser quer treibenden Tanker rechtzeitig bemerkte und eine Havarie vermeiden konnte. Irgendwann zog eine Person mit Badekappe an mir vorbei, drehte sich um und spritzte mir Wasser ins Gesicht: Muttern. Wo kam die denn her?
Ich hatte gerade meine zehnte Bahn vollendet und war mächtig stolz und dachte: "reicht eigentlich, ab ins warme Wasser, ab in die Sole mit 32°". Da zog meine Mutter wieder an mir vorbei. Als ich von meiner wahnsinnigen Leistung von zehn Bahnen erzählte meinte sie nur, sie schwimme meistens vierzig. Wie demütigend. Und weg war sie wieder. Am Ende der Bahn wartete sie auf mich, um einfach nochmal zu zeigen, dass sie schneller schwimmt. Irgendwie bin ich dann immerhin noch auf 25 Bahnen gekommen.

Um halb Acht wechselten wir in die Sole (endlich ins Warme), da die ersten Schulkinder das Becken eroberten und damit alle Anderen raus mussten. Nach ein paar runden im mollig warmen Wasser stellten wir uns förmlich für die Massagedüsen an. Die Spezies Frühschwimmer ist ganz jeck auf Massagedüsen und steht dabei in einer Schlange im Becken dafür an. Sah sehr witzig aus. Aber wehe man Drängelt!
Irgendwann wurde mir dann klar, warum meine Mutter das regelmäßig macht: Sie war die Jüngste, geradezu jugendlich im Vergleich zum Rest. Ich falle mit meinen paar Lenzen da völlig aus der Statistik.
Insgesamt ein sehr erfrischender, wenn auch demütigender Start in den Tag. Zum Trost sind wir Frühstücken gegangen. Nächste Woche gehe ich wieder mit. Dann will ich wenigstens 26 Bahnen schaffen.